Hauptprospekt: Sockelbereich mit Blick auf das Brustwerk
Hauptprospekt: Sockelbereich mit Blick auf das Brustwerk

Der Sachverständigen-Bericht von Andreas Werckmeister

Der Aufbau dieser Orgel ist durch zwei weitere Quellen bekannt. Die erste stammt von Michael Praetorius selbst, der ihre Disposition in seine theoretische Schrift Syntagma musicum II unter die „vornehmen Orgeln“ seiner Zeit aufgenommen hat. Die zweite ist ein Gutachten aus dem Jahre 1705 von Andreas Werckmeister, einem bedeutenden Musik-Theoretiker und Organisten der Martini-Kirche zu Halberstadt. Dieses Gutachten hatte der König Friedrich I. von Preußen in Auftrag gegeben, weil die Orgel nach über einem Jahrhundert schadhaft zu werden begann. Das ist nicht verwunderlich, denn nach dem Tode des Herzogs im Jahre 1613 und dem Dreißigjährigen Krieg hatte die Schloss-Kapelle samt der Orgel ihre Funktion verloren und galt nur noch als Touristen-Attraktion. Darum ist ein Teil der von Werckmeister aufgelisteten „Defecta“ Folge einer jahrzehntelangen Vernachlässigung des Instrumentes.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass das Instrument von 1596 eine Synthese des künstlerischen Ausdrucks der Zeit in klanglicher wie gestalterischer Hinsicht mit einem Anflug des Barock darzustellen scheint. In seiner sehr reichen Disposition versammelt es praktisch alle Register und Klangfarben, die seit dem Mittelalter erfunden worden sind. Dies könnte den Wunsch erklären, 59 Register in einem Instrument unterzubringen, das bestimmt war, in einem relativ kleinen Raum zu erklingen. Mit einer weichen und zarten Intonierung, die dank eines mäßigen Winddruck erzielt werden konnte, war diese Orgel wahrscheinlich wie ein großes „Kammer-Instrument“ konzipiert, ähnlich wie die kleinere „Compenius-Orgel“ im Schloss Hessen. Es ging in beiden Fällen also nicht um die Fragen von Kraft, sondern von solchen der Qualität und der Verschiedenheit der Klangfarben. Aus Werkmeisters Gutachten wird klar, dass er ein Jahrhundert später den Sinn eines solchen Instrumentes nicht begreifen konnte und deshalb zu der Meinung gelangte, es müsse verändert werden.
Quelle: Jean-Charles Ablitzer: Die David-Beck-Orgel in der Schlosskapelle zu Gröingen – 1770 in die St.Martini-Kirche zu Halberstadt umgesetzt