Hauptprospekt: Sockelbereich mit Blick auf das Brustwerk
Hauptprospekt: Sockelbereich mit Blick auf das Brustwerk

Die Orgel der Schloss-Kapelle – ein außergewöhnliches Instrument

Die für die Schloss-Kapelle vorgesehene Orgel sollte ein Wunderwerk werden. Es wurde festgelegt, dass sie 59 Register in sechs klingenden Werken auf zwei Manualen und Pedal umfassen sollte. Das Gehäuse bekam ein märchenhaft reiches Dekor – einen Überfluss, der selbst für die zu Ende gehende Renaissance-Epoche und die ersten Anflüge des Barock erstaunlich war. Diese Orgel sollte Erstaunen und Bewunderung hervorrufen sowohl durch ihre Klangpracht als auch durch die Arbeit der Kunstschreiner, Maler und Vergolder. Sie sollte die bedeutendste Orgel in Deutschland werden, was die Zahl der Register anging und die am reichsten verzierte. Ihr Bau dauerte von 1592-96, und es waren zehn Orgelbauer an ihrer Errichtung beteiligt: Der Orgelbau-Meister David Beck und neun Gesellen. Der Preis des Instrumentes betrug 10.000 Reichsthaler.
Die Feierlichkeiten zur Abnahme der Arbeit und Einweihung der Orgel am 2. August 1596 waren dem Instrument entsprechend prunkvoll: Einmalig in der Musikgeschichte hatte der Herzog 53 bedeutende Organisten dazu eingeladen. Sie kamen aus ganz Deutschland und bewiesen eine Woche lang ihre Fähigkeiten und die schier unendlichen Möglichkeiten des Instrumentes. Die Ausgaben für die Entlohnung der Organisten beliefen sich auf 3.000 Reichsthaler, und die Teilnehmer trugen den Ruhm des Instrumentes, das sie geprüft und abgenommen hatten, sowie den Ruhm des Herzogs in das ganze Land. Auch Michael Praetorius nahm an diesem Treffen teil und wurde danach vom Herzog mit Spiel und Pflege der Orgel betraut.

In den Jahren 1603/04 übernahm der berühmte Orgelbauer Esaias Compenius im Auftrag des Herzogs die Unterhaltung der Orgel, ohne dabei jedoch etwas an ihrer Konzeption zu verändern. Im Jahre 1605 ernannte der Herzog ihn zu seinem Fürstlich Braunschweigischen Orgel- und Instrumentenmacher und beauftragte ihn mit der Ausführung eines zweiten Orgel-Projektes. Diese zweite Orgel war für das zwischen Halberstadt und Wolfenbüttel gelegene Schloss Hessen bestimmt, den Geburtsort des Herzogs, und er schenkte dieses Instrument dann seiner Gemahlin Elisabeth.
Diese „Compenius-Orgel“ – ein „Kammermusik-Instrument“ – gilt als Pendant zu der Gröninger Schloss- Orgel; sie besteht im Gegensatz zu ihr größtenteils aus Pfeifen unterschiedlichster Hölzer, deren Prospekt-Pfeifen zusätzlich mit Elfenbein belegt sind. An Planung und Bau dieser Orgel hat Michael Praetorius als Berater wesentlichen Anteil gehabt und ihre Disposition in seinem Syntagma musicum II abdrucken lassen. Über dieses Werk schreibt er: „Dessen frembder/sanffter/subtiler Klang und Lieblichkeit aber im Schreiben so eigentlich nicht vermeldet werden kann“, und vielleicht klang auch die Gröninger Schloss-Kapellen- Orgel in ähnlicher Weise. Die Hessener Schloss-Orgel wurde 1610 fertiggestellt, aber 1616, drei Jahre nach dem Tode des Herzogs, von der Herzogin-Witwe ihrem Bruder, dem dänischen König Christian IV. zum Geschenk gemacht. Compenius besorgte den Transport der Orgel nach Schloss Frederiksborg und ihren dortigen Aufbau. Danach erkrankte und verstarb er und wurde im dänischen Hillerod beigesetzt. Dieses Instrument ist die einzige original erhaltene und noch regelmäßig gespielte Renaissance-Orgel.
Quelle: Jean-Charles Ablitzer: Die David-Beck-Orgel in der Schlosskapelle zu Gröingen – 1770 in die St.Martini-Kirche zu Halberstadt umgesetzt